DAS PORZELLAN,
EIN KULTURFAKTOR.
Als der venetianische Handels- und Forschungsreisende
Marco Polo im 13. Jahrhundert das erste chinesische Porzellan nach Europa
brachte, wurde es dort bestaunt wie ein Wunder aus einer andern Welt. Noch
nie hatte man Gefäße von so seltsam schönen Formen gesehen.
Niemand kannte dieses fremdartige Material: schimmernd weiß, hochglänzend,
durchscheinend, hellklingend beim Daranstoßen oder Beklopfen, härter
als alle Tonwaren und doch weich hinfließend in seinen Flächen
und Umfassungslinien. Es war ein kostbares Gut, das wie Gold gewertet wurde.
Und dabei blieb es auch, als in späteren
Zeiten die Wege erschlossen waren für einen dauernden Bezug des chinesischen
Porzellans, als die Kunde von dem neuen Wesen aus dem fernen Osten sich
über ganz Europa verbreitet hatte. Ende des 17. Jahrhunderts hatten
die Porzellanerzeugnisse Chinas ihre höchste dekorative Vollendung
erreicht, und der Besitz solcher Prunkstücke war der Stolz der Fürsten,
die ihre Schlösser und Sammlungen damit schmückten; denn das
chinesische Porzellan war Luxusgegenstand für die Herrschenden, kein
Gebrauchsartikel für alle.
Erst die Erfindung und fabrikmäßige
Herstellung des europäischen Porzellans brachte eine Wandlung. Das
Porzellan wurde allmählich zum Bestandteil des bürgerlichen Haushalts,
es verdrängte die Metall- und Fayence-Geschirre vom Speise-, Tee-
und Kaffeetisch, von der Festtafel und vom Küchenregal. Heute ist
das Porzellan zum unersetzbaren Gegenstand des täglichen Gebrauches
geworden. Zahlreiche Produktionsstätten versorgen ein Bedarfsgebiet,
das alle Kulturländer der Erde umfaßt.
Aber trotz seiner allgemeinen Verbreitung
hat sich das Porzellan, soweit es Qualitätserzeugnis ist, den fürstlichen
Charakter von einst bewahrt. Porzellan ist ein vornehmer Stoff. Es verlangt
Gold zu seiner Verzierung. Es will Silber, geschliffenes Glas und Blumen
neben sich haben, wenn es bei festlichen Gelegenheiten auf der Tafel erscheint.
Die Verwendung des Porzellans gab den Gewohnheiten des Essens und Trinkens
ein neues Gepräge, führte zur Verfeinerung der Tischsitten und
wirkte mit an der Veredelung der gesellschaftlichen Gepflogenheiten.
Diese zivilisatorische Bedeutung des
Porzellans ist bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben. Wertvolles
Porzellan sein eigen zu nennen, ist der Wunsch jedes Gebildeten. Gutes
Porzellan stellt den unentbehrlichen Schmuck unseres Heims dar. Schönes
Porzellan ist ein untrügliches Merkmal häuslicher Kultur.
In dem Porzellangeschirr, das gegenwärtig
erzeugt wird, sind vorwiegend die Formen erhalten geblieben, die das porzellanfreudige
18. Jahrhundert geschaffen hat. Aber erst die moderne Porzellantechnik
hat es ermöglicht, den Porzellanscherben in voller Reinheit und Transparenz
herzustellen, eine gleichmäßig schöne Glasur von lebhaftem
Spiegelglanz zu schaffen, dem Porzellangeschirr die Festigkeit und Haltbarkeit
zu verleihen, auf der seine Überlegenheit im praktischen Gebrauch
gegenüber den Geschirren aus anderen keramischen Stoffen beruht.
Die Grundlage dieser Fortschritte ist in der Verarbeitung der böhmischen
Kaolin-Vorkommen zu erblicken, und die Porzellanerzeugung in Böhmen
ging denn auch in der Vervollkommnung des Materials allen kontinentalen
Produktionsländern voran. An der Spitze stand von jeher und steht
noch immer die Porzellanfabrik Pirkenhammer, deren Porzellane in technischer
Qualität und dekorativer Durchbildung eine Wertgattung für sich
darstellen. |