AUS DER
GESCHICHTE DER PORZELLANFABRIK PIRKENHAMMER.
Wenn man von Karlsbad aus der Chaussèe
folgt, die längs dem Flüßchen Tepl sich malerisch hinzieht,
so erreicht man in eineinhalb Stunden das freundliche Dörfchen Pirkenhammer,
hinter dem sich die Lamnitz, ein stürmischer Gebirgsbach, in die Tepl
ergießt. In dem engen Felstal, durch das der Lamnitzbach rauscht,
liegt die Porzellanfabrik, die den Namen des Dorfes führt.
Im Jahre 1803 hat der Kaufmann
und Gutsbesitzer Friedrich Hoecke aus Buttstedt im Großherzogtum
Sachsen-Weimar dieses Unternehmen gegründet. Hoecke steckte sich von
Anfang an keine hohen Ziele. Er baute zwei kleine Brennöfen und fabrizierte
mit Hilfe einiger Facharbeiter, die er aus Thüringen mitgebracht hatte,
geringwertiges Geschirr und Pfeifenköpfe. Das Geschäft kam aber
nicht zur Entwicklung. Hoecke, der fürchten mußte, Geld und
Zeit umsonst aufgewendet zu haben, verpachtete die Fabrik nach einigen
Jahren, spätestens 1806, an die Thüringer Kaufleute Ferdinand
Cranz und Friedrich Brothäuser. Als Buchhalter war Fidel List tätig.
Cranz starb schon 1807 am "Faulen Fieber" und Brothäuser suchte unter
Hinterlassung vieler Schulden das Weite. Hoecke bestellte nun einen Verwalter
Gottlieb Winkel, der aber nicht viel geleistet zu haben scheint. Der Fabrik
drohte der Verfall. Da gelang es Hoecke, im Jahre 1811 das heruntergekommene
Werk um geringen Preis an Johann Martin Fischer aus Erfurt und an Christof
Reichenbach in Pirkenhammer zu verkaufen. Martin Fischer war Kaufmann,
während Reichenbach der technische Leiter des Unternehmens wurde und
in der Fabrik Wohnung nahm. - Das Werk befand sich zunächst noch in
einem kläglichen Zustande. Der Grund, den es umfaßte, war nur
ein schmaler Streifen am Fuße eines steilen Berges, Gebäude
und Fabrikseinrichtung waren schlecht erhalten und so ausgestohlen, daß
alles Eisenwerk fehlte.
Aber schon ein Jahr nach der
Übernahme durch Fischer und Reichenbach sah es wesentlich besser aus.
Die Fabrik war auf drei Gebäude verteilt. In dem einen, zunächst
dem Dorfe Pirkenhammer gelegenen Hause, waren die Maler und die Öfen
zum Farbeneinbrennen untergebracht. In dem etwa hundert Schritt entfernten
zweiten Hause waren alle übrigen Fabrikationsanlagen aufgestellt mit
Ausnahme der Masse- und Glasurherstellung, die samt der Mühle am Ende
des Tales, etwa dreihundert Schritt vom Fabriksgebäude entfernt, lag.
- Die Fabrik bereitete ihre Porzellanmasse aus Zettlitzer Kaolin sowie
aus einem rotbraunen Feldspat und einem weißen, quarzigen Sandstein,
die beide dicht hinter der Fabrik vorkamen. Die Zettlitzer Erde wurde von
Hand geschlämmt, scharf ausgesiebt, in einer mit Wasserkraft betriebenen
Steinmühle gemahlen und äußerst sorgfältig getrocknet.
Als Zerkleinerungsmaschine diente ein Stampfwerk mit Wasserkraftbetrieb.
Zur Herstellung der Glasur bediente man sich einer rötlichen, kalkhaltigen
Porzellanerde von Donawitz bei Pirkenhammer. Flachgeschirre, Becher und
kleinere Hohlgefäße wurden aus freier Hand gedreht, nur die
größeren Kannen wurden in Formen eingedreht und auf der Drehscheibe
abgerichtet. Verglühen und Garbrennen erfolgte in einem Zwei-Etagen-Rundofen
nach Berliner System. Die Kapseln wurden aus rötlichem Gießhübler
Ton angefertigt; sie waren dünnwandig und wurden musterhaft ausgeführt.
Die Porzellanfarben wurden in Muffelöfen mit Kohlenfeuer eingebrannt.
Man bezog sie von einem Höchster Farbenlaboranten namens Distel.
Zunächst wurden noch
gewöhnliche Gattungen von Kaffee- und Tafelgeschirren sowie Pfeifenköpfe
nach Thüringer Art erzeugt. Außerdem machte die Fabrik einen
bedeutenden Umsatz in Kaffeetassen nach Sachsen und Schlesien. Sie verkaufte
das Dutzend Tassen, mit bunten Blumen grün und rot bemalt, zu 2 Gulden
(Einlösungsscheine) und ausgesucht feine und besser gemalte das Dutzend
zu 3 1/2 Gulden (Einlösungsscheine). Das Tafelgeschirr wurde überwiegend
mit Blaumalerei dekoriert. - Obwohl in den folgenden Jahren Mißernte
und Teuerung herrschten, halfen die Energie, der Fleiß und die Tüchtigkeit
der Fabriksleiter über alle Schwierigkeiten hinweg. Qualität
und Menge der Fabrikate stiegen so, daß Fischer und Reichenbach am
21. Juni 1822 anstandslos die förmliche Landesfabriksbefugnis erhielten.
Als
Martin Fischer im Jahre 1824 gestorben war, führte seine Witwe Sophie
Friederike bis zur Großjährigkeit ihres Sohnes Christian mit
Reichenbach zusammen den Betrieb weiter. Um diese Zeit erklärte Stephan
von Keeß das Porzellan von Pirkenhammer für das beste, das in
Böhmen erzeugt wurde. Insbesondere sei es durchscheinender als das
der anderen Fabriken. Darin kam es dem französischen Porzellan am
nächsten, weshalb auch die Fabrik Pirkenhammer im Auslande am erfolgreichsten
mit französischer Ware konkurrieren konnte. 1828 beschickten Fischer
und Reichenbach die erste Gewerbsproduktenausstellung in Prag mit einer
großen Anzahl bemalter Vasen und Geschirre. Bei der zweiten Prager
Ausstellung 1829 erhielt Pirkenhammer die bronzene Medaille. Die Beurteilungskommission
lobte die Reinheit der Masse, die Schönheit der Formen und Verzierungen,
die "gleichschöne und hohe Vergoldung". Auch Johann Gottfried Dingler
rühmte 1829 die Erzeugnisse von Pirkenhammer, namentlich die vortreffliche
Malerei und Vergoldung. Im gleichen Jahre erhielt die Fabrik ein Privilegium
auf das Drucken von Dekoren von Metallplatten auf Porzellan unter Glasur
und die Erlaubnis zur Aufstellung einer Kupferdruckpresse, nachdem die
Wiener medizinische Fakultät am 28. April 1829 ein Gutachten dahin
erstattet hatte, "daß gegen dieses Verfahren in Sanitätsrücksichten
keine Erinnerung stattfinde". Die Fabrik führte nun den einfarbigen
Kupferdruck als Dekorierverfahren ein.
Ein Bericht der Beurteilungskommission
für die Prager Ausstellung von 1831 gibt Nachricht über den damaligen
Personalstand der Fabrik. Danach waren in mehreren, neu hergestellten Gebäuden
36 Dreher, 37 Maler, Vergolder und Kupferdrucker, 16 Polierer und Hilfsarbeiter,
mit dem Kontorpersonal insgesamt 130 Personen beschäftigt, "die vielen,
mit der Herbeischaffung der rohen Materialien beschäftigten Individuen
nicht gerechnet". Die Erzeugnisse wurden vornehmlich durch die Fabriksniederlagen
zu Wien, Prag, Brünn und anderen Städten der ehemaligen Monarchie
vertrieben. Im übrigen war der Absatz "von besonderem Umfange in den
italienischen Provinzen und auch im Auslande". Das Qualitätsurteil
der Kommission lautete: "Obgleich nur wenige Artikel eingesendet und besonders
die so sehr beliebten und wohlfeilen Geschirre mit schwarzem Kupferdruck
nur ungern vermißt wurden, so ist es doch bekannt, daß Mannigfaltigkeit
der Erfindung, Fügsamkeit in den Geschmack des Augenblicks, unausgesetzte
Aufmerksamkeit auf die Fortschritte des Auslandes, verbunden mit Geschicklichkeit
in der Erzeugung und Gewandtheit in der Verwertung ihrer Produkte, diese
um die Erzielung billiger Preise in kurrenten Artikeln vorzüglich
bemühete Fabrik bereits zu einer der bedeutendsten des Landes erhoben
haben. Dafür aber zeigten die zur Ausstellung gebrachten Prachtgeschirre,
sowohl in Hinsicht auf Form als Schönheit und Reinheit der Masse und
Glasur, als auf reiche Vergoldung und geschmackvolle Malerei einen hohen
Grad von Fortschritt zur Vollendung. Trefflich gelungen waren von den mit
Überwindung der Schwierigkeiten erzeugten größeren Stücken
die durch Vergoldung und Malerei preiswürdig ausgestatteten Vasen,
welche nebst den übrigen Geschirren nach neuen Mustern im modernen
Geschmacke das glückliche Streben der Fabrik nach Intelligenz und
höhere kunstsinnige Vollendung bekundeten".
1833 heiratete Johann Christian
Gottlieb Fischer, der inzwischen großjährig geworden und 1831
in die Firma eingetreten war, die Tochter Emma Karoline des verstorbenen
Württembergischen Regierungsrates Johann Friedrich Ludwig von Mieg
aus Ludwigsburg. Christian Fischer hatte sich gründlich für seinen
Beruf vorbereitet. Er war "ein tüchtiger Chemiker und für alle
Zweige der Naturwissenschaften, namentlich für Botanik und Geologie
begeistert, hatte auch schon Rühmliches auf dem Gebiete der Mikroskopie
geleistet". Auch der Direktor der Staatsmanufaktur Sèvres, Bronguiart,
der 1836 die Fabrik besuchte, äußerte sich sehr anerkennend
über den Betrieb, seinen Leiter und seine Fabrikate. Die 1835 in Wien
abgehaltene "erste allgemeine österreichische Gewerbeausstellung",
auf der Masse, Glasur, Malereien, Vergoldung und die geschmackvollen Formen
der Objekte sehr gelobt wurden, brachte der Fabrik die bronzene Medaille.
Zur vierten Ausstellung der böhmischen Gewerbsprodukte in Prag 1836
stellte die Fabrik wieder zahlreiche neue Muster: Vasen, Leuchter, Dejeuners,
Flakons, Nachtlampen, Schreibzeuge und anderes aus. Man scheint diesmal
nicht so gut abgeschnitten zu haben wie vorher. Dagegen war die Beurteilungskommission
der zweiten Wiener Ausstellung 1839 wieder sehr begeistert. Das Protokoll
sagt: "Die Herren Fabriksbesitzer haben durch die Beschaffenheit der ausgestellten
Stücke den hohen Standpunkt ihres Etablissements über allen Zweifel
erhoben. Der gute Geschmack in bezug auf Formen, die Reinheit der Masse,
die Glätte der Glasur und selbst die Malerei zeichnen sich sehr vorteilhaft
aus. Die hiermit in Verbindung stehenden billigen Preise haben es den Ausstellern
auch möglich gemacht, in Italien die dort so beliebten französischen
Fabrikate größtenteils außer Konkurrenz zu setzen. Aus
diesen Gründen wurde denselben die goldene Medaille zuerkannt". -
Bei der Ausstellung von 1845 war Christian Fischer bereits Mitglied der
Zentral-Hofkommission. Die Fabrik befand sich daher außer Preisbewerb,
was als die höchste Auszeichnung zu betrachten war.
Im Jahre 1846 setzte sich
Reichenbach zur Ruhe und verkaufte seinen Anteil um 110.000 fl. an Christian
Fischer, der bis 1852 Alleinbesitzer blieb. In diesem Jahre heiratete seine
Tochter Wilhelmine ihren Vetter Ludwig von Mieg, der Mitbesitzer der Fabrik
wurde. Die Firma lautete nunmehr Fischer & Mieg. Christian Fischer
war seit 1853 nicht mehr aktiv an der Fabrik beteiligt, hatte eine Porzellan-Fabrik
in Sachsen erworben.
Durch Christian Fischer und Ludwig von Mieg erhielt die Entwicklung Pirkenhammers
ihre stärksten Impulse. Christian Fischer darf als Schöpfer der
technischen und ästhetischen Tradition von Pirkenhammer angesprochen
werden. Mit wissenschaftlicher Bildung ausgerüstet, mit offenem Blick
für wirtschaftliche Notwendigkeiten und Möglichkeiten begabt,
kultivierten Geschmack und erfinderischen Geist vereinigend, war Christian
Fischer für Pirkenhammer der rechte Mann zur rechten Zeit. Während
seine Vorgänger bemüht waren, nach Thüringer Vorbildern
und mit Thüringer Arbeitskräften das zu erzielen, was an anderen
Fabrikationsstätten im Wesen bereits erreicht war, hat es Christian
Fischer verstanden, das Unternehmen in einen neuen Aufgaben-, Arbeits-
und Wirkungsbereich zu rücken, den Fabrikaten ein eigenes Wertgepräge
zu erteilen, ortsansässige Arbeiter heranzubilden und für eine
höhere Qualität der Leistungen zu schulen. Durch ihn erhielt
Pirkenhammer seine selbständige Bedeutung und seine bleibende Eigenart
in der Geschichte der Porzellanerzeugung, seine Verbundenheit mit dem Boden,
auf dem es steht, mit dem Volk, das ihm die schaffenden Kräfte liefert.
- Ludwig von Mieg wiederum gab dem Unternehmen einen machtvollen geschäftlichen
Auftrieb. Er wußte die Konjunktur zu nützen und den Umsatz um
ein Vielfaches des bisherigen zu vermehren. Er erkannte, daß die
Wertsteigerung der Erzeugnisse wesentlich auf der dekorativen Veredelung
beruht, und richtete daher vor allem sein Augenmerk auf die Vervollkommnung
der Ziergeschirre und die Hebung der Malerei. Unter seiner Leitung kam
die Fabrik zu einer wirtschaftlichen Blüte, wie nie vordem, und die
Fabrikate erlangten Anerkennung und Ruf auf dem Weltmarkte. Christian Fischer
war die intensiv, Ludwig von Mieg die extensiv wirkende Triebkraft in der
Entwicklungsgeschichte Pirkenhammers. Dem Auftreten dieser beiden Männer
und der glücklichen Aufeinanderfolge ihrer Tätigkeit verdankt
Pirkenhammer seine Glanzperiode im 19. Jahrhundert.
Besondere Verdienste um die
Förderung der Malkunst in Pirkenhammer erwarb sich der Pariser Maler
A. Carrier, der von 1868 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts für Pirkenhammer
tätig war. Ihm errichtete die Fabrik im Jahre 1874 ein eigenes Atelier
in Paris, und dort arbeitete Carrier viele Jahre im Dienste Pirkenhammers,
mit zahllosen Entwürfen und Anregungen die Dekorbildung und die Formenveredelung
befruchtend.
Vielseitige Anerkennung wurde den Leistungen der Porzellanfabrik Pirkenhammer
zuteil. Als Beispiele seien hier die wichtigsten Auszeichnungen aufgeführt,
welche der Manufaktur auf ausländischen Weltausstellungen zugesprochen
wurden:
Paris 1855: Medaille 11. Klasse,
Paris 1867: Silberne Medaille,
Paris 1878: Goldene Medaille,
Paris 1900: Goldene Hors
concours-Medaille,
Rio de Janeiro 1922: Grand prix
Paris 1925: Ehrendiplom.
Mitte 1918 wurde die Fabrik
Pirkenhammer dem Konzern "Epiag" eingegliedert, der außerdem Porzellanfabriken
in Elbogen, Dallwitz, Aich und Altrohlau umfaßt. In den folgenden
Jahren ergaben sich vielerlei Schwierigkeiten, wie sie die Nachkriegsjahre
allgemein in der Industrie herbeiführten. Aber der gegenwärtigen
Leitung ist es mit dankenswerter Unterstützung des Epiag-Generaldirektors
Ing. Leo Benedikt gelungen, alle Hindernisse und Hemmungen zu überwinden.
Die Pflege bester Qualitätsarbeit ist oberstes Betriebsgesetz. Die
geschmackliche Fortbildung der Erzeugnisse, ihre werkliche Durcharbeitung,
ihre formale und dekorative Behandlung befindet sich auf voller Höhe.
Was der Krieg an wertvollen Arbeitskräften aufgezehrt hat, ist durch
sorgfältige Heranbildung des jungen Nachwuchses planmäßig
ersetzt worden. Heute steht Pirkenhammer mehr denn je im Dienste seiner
guten Tradition, die auch in der neuen Zeit dem Werk seine innere Kraft
gibt und, von neuem Geiste erfüllt, auch in der Zukunft die Bedeutung
behalten wird, die sie in einer 125jährigen Entwicklungsgeschichte
der Fabrik erlangt hat. |